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Zu viel des Guten: der Deppenapostroph

Ich hatte Dir vor kurzem in Aussicht gestellt, dass wir uns mit dem Deppenapostroph beschäftigen. Es ist faszinierend bis verstörend zu sehen, wohin sich Menschen Apostrophe phantasieren können. Da scheint keine Besserung in Sicht – Grund genug, meine Ankündigung wahrzumachen.

Was ist ein Deppenapostroph?

Der Begriff umfasst eine Reihe von verschiedenen Apostrophfehlern.

1. Typographendepp

Dieser Apostroph kann an der korrekten Stelle sitzen; es wird jedoch das falsche Zeichen verwendet. Das ist orthographisch recht harmlos, aber typographisch inakzeptabel.

Er ist´s, wer sonst könnte es sein.

Vor allem Akzente sieht man oft als Apostrophe missbraucht. Man rechts-, mal linksgedreht, für Abwechslung ist gesorgt.

Wie‘s so läuft, hat er gefragt.

Auch das ist eine typographische Ungenauigkeit, es handelt sich um ein einfaches Anführungszeichen. Der Apostroph sieht so aus: wie’s. Wer sich schon mal mit den typographischen Kapriolen des WordPress-Editors herumgeschlagen hat, könnte dieser Art Fehler zumindest im Web etwas toleranter gegenüberstehen …

2. Pluraldepp

Info’s, Handy’s oder ganz schräg: Ossi’s:
(Quelle: Deppenapostroph.info)

Das Mehrzahl-s wird einfach ans Wort gehängt. Der Apostroph ist kein Schmuckstück, sondern ein Werkzeug. Hat sich noch nicht überall rumgesprochen.

3. Genitivdepp

Beispiele aus dem Netz, die man nicht für möglich hält: des Weiher’s, Köln’s größte Auswahl, Mama’s und Papa’s Lieblinge, Peter’s Grill.
(Quelle: Deppenapostroph.info)

Es ist ganz einfach, diesen Fehler zu vermeiden: ein Genitiv ⇒ kein Apostroph vor dem s.

Eine Grauzone seit der Einführung der neuen Rechtschreibung wäre vielleicht Peter’s Grill, falls es sich dabei um eine gastronomische Stätte mit Hang zu pseudoschickem Schriftbild handelte. Denn die Neuregelung erlaubt so etwas ausnahmsweise zähneknirschend in werblichen Zusammenhängen und für Geschäftsnamen. Strenggenommen bleibt das falsch und ist ehrlich gesagt Blödsinn hoch fünf.

4. Imperativdepp

Iss endlich was.

Kind, lies’ doch mehr, dann machst du später nicht so doofe Rechtschreibfehler wie ich.

Gib mir sofort den Stift zurück.

Wird fälschlich als Auslassung interpretiert, ist aber in Wirklichkeit die sogenannte Befehlsform, also ein Imperativ.

5. Auslassungsdepp

Kommen wir zu meinem Liebling, weil der Auslassungsdepp sich auch – oder sogar gerade – in die Texte von Profis mogelt. Die wollen besonders korrekt schreiben und tappen in die Falle.

Vielleicht hättest auch Du 50 Euro darauf gewettet, dass die folgenden Schreibungen völlig richtig sind. Sind sie nicht. Das weggelassene e wird nicht durch ein Auslassungszeichen markiert, weil die Alternative mit der Auslassung sich zu einer ähnlich gängigen Variante entwickelt hat wie ihr vollständiges Pendant.

Ich mach’ das nicht.

Ich leg das schon weg, keine Sorge.

Ich vergess so etwas immer.

Ich hab das schon erledigt.

Ich pack’ das nicht.

Imperativ und Auslassung: eine tückische Allianz

Setz dich bitte hin.

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Keine Deppen: echte Auslassungen mit Apostroph

Es ist schon richtig: Eine wichtige Funktion des Apostrophs ist, Wörter, in denen Buchstaben ausgelassen wurden, leserlich zu machen.

So wäre etwa einzge im Vergleich zu einzige schwer zu identifizieren, und darum heißt es einz’ge (vs. trockner Boden; beide Beispiele führt der Duden an). Schön ist das (von mir verkürzte) Duden-Beispiel Das Wasser rauscht’. Denn wenn hier kein Apostroph steht, vermutet man ein Präsens – dass rauscht’ für rauschte steht, lässt sich ohne Kontext nicht erkennen.

Umgangssprachliche Verschmelzungen zweiter Wörter wie so’n (so ein) oder Auslassungen, etwa ’ne, ’s (’s hat mich nicht gejuckt) schreien nach dem Apostroph, auch wenn es sich hier – mir unverständlich – um eine Kann-Regel handelt. Kein Profi lässt in diesen Fällen den Apostroph weg.

So kommt es dann zu vermeintlich schwierigen, weil ähnlich wirkenden Fällen:

Da bist Du auf’m Holzweg. ist einer der Kann-Kandidaten.

Präpositionen und Artikel sind hingegen verschmolzen in: beim, hinterm, überm, unterm.

Übrigens stelle ich wie so oft fest, dass die Fehlerquote in diesem Bereich seit Einführung der Neuregelung deutlich zugenommen hat. Vor einigen Wochen habe ich in einem Fachbuch, das Studenten rhetorische Schlüsselqualifikationen vermitteln will, im Abstand von zwei Seiten hab’ und mach’ gelesen. Im Vergleich dazu wartete ein vor der Reform veröffentlichter Roman mit hab und Co. auf. Wir hatten mal ein besseres Gespür für Fälle, die uns heute schwierig vorkommen. Thanks, Reform …

Nach- und weiterlesen

Wenn Du noch Anschauungsmaterial brauchst oder einfach einen harten Tag hattest und schmunzeln möchtest: Es gibt zum Deppenapostroph eine Website, die kuriose Fälle sammelt: www.deppenapostroph.info. Gerne klärt man Dich dort darüber auf, was es mit der Apostrophitis auf sich hat.

Sehr ans Herz legen möchte ich Dir einen Artikel der Texterin Janett Reimann, der auch ausführlicher auf die korrekten Apostroph-Verwendungen eingeht: www.textschoepfung.de/grammatikalische-alltagsfehler-der-apostroph

Erstveröffentlichung am 31. Juli 2016 auf meiner alten Website „keine kuhhaut“. Für Dauleben überarbeitet.