Hach, ChatGPT – grenzenlose Freiheit, unendliche Möglichkeiten. Manche träumen schon davon, mit ChatGPT reich zu werden, Man muss sich nur von der Künstlichen Intelligenz (KI) alle Arbeit abnehmen lassen und für die Ergebnisse beim Kunden abkassieren. YouTube-Videos dazu sprießen täglich aus dem Boden.
Auch für die eigenen Aufgaben haben wir endlich einen fixen Helfer, der sich für nichts zu schade ist und selten müde wird. Es ist wirklich großartig. Schau Dir mal das folgende Beispiel an. Ich habe ChatGPT gebeten, mir eine Bibliographie zu erstellen.
Wow! Cinema Therapy ist wirklich ein Spezialgebiet, in Deutschland noch nicht etabliert. Darum werden ausschließlich englischsprachige Titel gelistet, das ist völlig in Ordnung.
ChatGPT präsentiert eine wunderbare Auswahl verschiedener Themenansätze, sogar eins vom berühmten Psychologen Philip Zimbardo ist dabei. Ich wusste gar nicht, dass der ein Buch zu dieser Disziplin beigetragen hat.
Hat er auch nicht. Die Liste da oben ist erstunken und erlogen.
Nun bin ich dem kleinen KI-Münchhausen keineswegs als Einzige auf die Schliche gekommen. Spannender ist, welche Schlüsse man daraus ziehen kann.
ChatGPT ist keine Suchmaschine
Wir wollen nicht ungerecht sein: ChatGPT weiß enorm viel und kann Dir etliche Fragen so beantworten, dass Du einen guten Überblick zu einem Thema bekommst. Oder auch Ideen, Inspiration.
Es wird sich auch weiterentwickeln, irgendwann laufen Künstliche Intelligenzen Suchmaschinen vielleicht den Rang ab. Doch das ist Zukunftsmusik; ChatGPT wird zurzeit in Bing integriert, es ersetzt die Microsoft-Suche nicht.
Also kannst Du ChatGPT alles fragen, aber übernimm die Antworten nie, ohne sie geprüft zu haben. Schon gar nicht, wenn Du sie weitergibst und sich jemand auf Dich verlässt. In Schule und Studium einfach Copy und Paste zu betreiben ist auch keine gute Idee. Du hast am Ende mehr Arbeit damit, die Ergebnisse nachzuprüfen, als sie selbst zu erzielen.
ChatGPT kann eben keine kreativen und menschengleichen Gedanken fassen. Dass es oft so aussieht, liegt an ChatGPTs herausragender Fähigkeit, mit Texten umzugehen. Seine Aufgabe ist es, menschenähnlich zu kommunizieren, Eingaben zu verstehen und umzusetzen. Als Basis dafür dient eine große Menge an bereitgestelltem Textmaterial.
Die KI lernt und entwickelt sich nicht nur durch Softwareanpassungen, sondern auch durch die Interaktion mit dem humanen Trainingspartner weiter. Beispielsweise kann sie Dir eine E-Mail schreiben – je mehr Informationen Du ihm zur Verfügung stellst, desto besser angepasst an Deine Bedürfnisse.
Eine Kategorie wie Wahrheit oder Echtheit fehlt ChatGPT schlicht. Es liefert, wonach man fragt: Du willst eine Bibliographie? Klar, kenne ich, kann ich erzeugen. Wenn Daten verfügbar sind, dann werden sie sehr zuverlässig ausgegeben. Wenn nicht, knetet die KI halt eine zusammen. Für ChatGPT besteht da überhaupt kein Unterschied. Antwort bekommen, Mission erfüllt. Das ist eine Riesenleistung, nur nicht immer die erfüllte Erwartung.
Zu wissen, wonach man sucht, und zu prüfen, was man gefunden hat, erfordert Sachkenntnis. Hast Du Dich nicht in Dein Thema gefressen, kann Dir ChatGPT das Blaue vom Himmel erzählen. Gibst Du so etwas weiter, sei es in Buchform, an einer Institution oder direkt an Kunden, ist das weder smart noch anständig.
Bequemlichkeit oder Freiheit
Künstliche Intelligenzen sind angetreten, uns viel Arbeit abzunehmen. Das ist gut. Warum sollen wir uns etwa mit lästigen Standardmails rumschlagen, wenn ein Bot die in wenigen Sekunden runterleiern kann.
Man könnte angesichts solcher Mühelosigkeit darüber nachdenken, ob unsere seelenlose Massenproduktion von Texten nicht sogar völlig egal werden lässt, wer oder was sie ins Netz bringt. Allein die Schwemme an miserablen selbstpublizierten Büchern, an austauschbaren immergleichen Werbenewslettern weckt Vorfreude darauf, wenigstens grammatisch und orthographisch passable Roboter-Texte zu lesen.
Es wäre auch eine reizvolle Möglichkeit zur Umkehr: In der Massenproduktion können wir mit den künstlichen Intelligenzen nicht konkurrieren. Vielleicht wagen sich einige wieder in die andere Richtung und schaffen Qualität.
Das ist ein bisschen anstrengender und aufwendiger. Du behältst aber nicht nur die Kontrolle über Deine Produktion, sondern stärkst auch die Fähigkeiten, die Du mal erworben hast. Was man nicht anwendet, verlernt man.
Kommen Dir diese Fähigkeiten abhanden, weil Du nichts davon kultivierst, hast Du Dein Können einer KI transferiert, die genau das tut, wofür Du zu faul bist. Das ist, als würdest Du einem Fremden Dein Bankkonto überlassen. Wer die KI besitzt, wird reich, und Du verhungerst.
Das schlichte Szenario der Ausfälle von Strom, Internet, Computern erspare ich Dir. Du kannst es Dir selbst grausmalen. Lass ChatGPT einen Tag schlappmachen, an dem Du voll drauf gesetzt hattest, dann bleibt Dir hoffentlich Plan B. Hast Du einen?
Was wir noch gar nicht besprochen haben, ist sind Feinschmerckerlis wie Datenschutz und Urheberrecht.
ChatGPT und die DSGVO
Datenschützer, die damit unterfordert waren, Kleinunternehmern, Bloggern und Agenturen die Bürokratenhölle heiß zu machen, werden sich in die KIs verlieben.
ChatGPT mal eben mit Kundendaten füttern, um Werbetexte für sie zu generieren oder einen Büroservice zu etablieren? Oh, oh. Ich kann mich nur wiederholen. Mit ein bisschen Nachdenken kommt man selbst drauf, dass das nix ist.
Die Merkregel, falls Du eine brauchst: Gib einer KI nie, nie, aber so was von nie ungefragt Kundendaten. Und gefragt erst dann, wenn die gesetzliche Regelung dazu besteht. Gesunder Menschenverstand war nie so wertvoll wie heute.
Die DSGVO taugt wenig. Aber Datenmissbrauch gar nichts. Zudem ist die Rechtslage zurzeit besonders heikel: Dass der Privacy Shield wie sein Vorgänger durch eine Klage beerdigt wurde, wissen auch nicht alle. Dieses Jahr wird ein weiterer Einigungsversuch gestartet, die Rede ist von einem Privacy Shield 2.0.
Der vorauseilende, aber vermutlich treffende Vorwurf des zweimaligen Klägers lautet, dass es wieder nur kosmetische Vereinbarungen sein werden. Die dritte Klage scharrt schon mit den Hufen. Wir können uns also weiterhin nicht darauf verlassen, Services von US-Unternehmen rechtsicher zu nutzen. Betroffen davon sind unter anderem Facebook, Google, Microsoft, Mailchimp, Builderall – und natürlich OpenAI.
Urheberrecht im Wandel der KI
Wenn Du die Gefechte zwischen Google und den Publizisten spannend fandst, kannst Du Popcorn rausholen. Es wird richtig zur Sache gehen.
Während Mark Zuckerberg von Aufenthalten im Metaversum träumt, sind etliche Verlage noch nicht mal im Neuland angekommen. Was nicht heißt, dass sie völlig unrecht hätten, sondern dass es daran fehlt, bisherige Geschäftsmodelle in die neue Umgebung einzupassen. OpenAIs kühne Ambitionen lassen bei Verlagen bereits alle Alarmglocken schrillen; der Ruf nach Lizenzgebühren wird hörbar. Daraus wird wohl zunächst nichts, weil die Politik auch nicht gleich beim ersten Mecker reagiert.
Der Konflikt rührt durchaus von der unbekümmerten Haltung und dem leicht vampiristischen Selbstverständnis einiger KI-Marktisten. Sich an allem zu bedienen, damit Geld zu scheffeln und andere ausbluten zu lassen, fördert die Gegenliebe nicht.
Im kleineren Maßtstab dürfen wir uns da an die eigene Nase fassen. Bevor Du vielleicht planst, ChatGPT, Bard oder was auch immer Deine Werke schreiben zu lassen, darf ich Dir eine Frage an die Hand geben: Woher nimmt ChatGPT seine Ideen? Aus dem All?
Nein, lachst Du mich aus, natürlich nicht, sondern aus der Menge an Material, mit dem es gefüttert wurde. Eben. Was es daraus generiert, kann noch so toll neu kombiniert sein, die Gefahr steigt, dass erkennbare Rückstände bereits publizierten Materials Dir ein paar Urheberschellen einbringen statt Tantiemen.
Ob wir damit zeitgemäß bleiben, ist die andere Medaillenseite dieser Frage. Vielleicht müssen wir unser stabiles, aber auch rückständiges Urheberrecht vorsichtig mit den neuen Gegebenheiten des Internets bekanntmachen. Vorschnell wäre das keineswegs.
Der Gestank von heute ist der Duft von morgen
KI-Werkzeuge machen mächtig Spaß. Und die ewigen Nörgler und Bremser nerven.
ChatGPT kombiniert und produziert phantastisch, und wenn wir uns von einem starken produktiven wertebasierten Framework leiten lassen, dann werden wir damit viel Freude haben und uns das Leben leichter machen.
Ja, es sterben wohl Berufe, Streitigkeiten und juristische Schlammschlachten werden sicher ausgetragen. Bis sich die Verhältnisse neu ordnen, kann es dauern.
Nicht mal in den USA, das Land der angeblich unendlich erlaubten Möglichkeiten, nehmen es Künstler hin, dass ihre Werke in den großen KI-Pool einfließen. Der Kunstwerkgenerator Midjourney als Gelddruckmaschine, da würde ich erst mal das Urteil abwarten.
Gerade dieser Streit um Midjourney zeigt aber, dass die Frage nach Urheberschaft nicht immer so klar zu beantworten ist: Wenn sich jemand gute kreative Bildprompts einfallen lässt und die KI aus der Summe des Materials völlig neue Bilder aus den Neuronen saugt, haben die zwei gemeinsam nicht etwas eigenes geschaffen? Oder alle drei? Zu welchen Anteilen?
ChatGPT und Co. werden entweder darunter zu leiden haben oder dazu beitragen, dass sich die Maßstäbe verschieben. Was heute Klau ist, juckt vielleicht morgen niemanden mehr. Richtig ist auch, dass einige vorangehen und die neuen Freiheiten provokativ testen müssen, damit sich Grenzen sinnvoll verschieben.
Aber: Ein intakter moralischer Kompass navigiert einen zu jeder Zeit und allen Umständen durch neues Terrain. Augenmaß beginnt da, wo man sich fragt: Schadet das, was ich tue, anderen? Und bin ich ehrlich mit mir?
Mensch-KI-Teamwork im besten Sinn: Prompte smart
Was bedeutet all das für den Umgang mit unseren künstlichen Freunden und Helfern?
Dass wir keiner KI erlauben, uns selbst zu ersetzen, da wären wir wohl etwas doof, auch wenn’s zu Beginn so verlockend scheint. Sondern uns von ihm Arbeit abnehmen lassen und Zeit gewinnen. Das liest sich selbstverständlich, aber den Unterschied zu erkennen, wird uns herausfordern.
Es kann auch bedeuten: Mit KI-Modellen so zu arbeiten, dass wir nicht korrumpiert und dümmer werden, sondern daran wachsen und uns verbessern.
Unser Steuerknüppel sind die Dialoge, die wir mit ChatGPT, Bard und was da noch kommen wird, führen. Feiern können wir, wenn durch unsere Prompts am Ende ein Produkt entsteht, bei dem wir im Teamwork etwas Größeres kreiert haben, als wir es allein getan hätten.
Schaffen wir das, werden wir richtig gute Prompter.